Motivation
Wenn man die Weltausstellung im Crystal Palace in London 1851 als den Beginn der Hobby-Aquaristik ansehen darf, so blicken wir mittlerweile (2019) auf eine beinahe 170 jährige Geschichte der Aquaristik zurück. Von der anfänglichen Notwendigkeit mit Hilfe von technischen Gerätschaften einen bloßen Wasserkörper in einen Lebensraum zu verwandeln, der Erfindung des Flockenfutters in den 1960er Jahren, das es erst ermöglichte, die Aquaristik einem breiteren Publikum zugänglich zu machen, über die finanzielle Erschwinglichkeit von Fernreisen in den 1970er Jahren, die letztendlich zur Entdeckung und Einfuhr einer Fülle bis dato unbekannter Süßwasserorganismen führte und immer noch führt, bis hin zur Selektionszucht einiger äußerst wandelbarer Organismen, die gleich der Sortenzucht von Gärtnereien hauptsächlich neue Farbformen hervorbringt und sie bewerten lässt: Die Aquaristik war und ist immer ein Spiegel unserer Gesellschaft, mit all ihren Herausforderungen, Erfolgen, Errungenschaften, aber auch ihren Schattenseiten.
Eine zunehmende Globalisierungen, das bedingungslose Unterordnen einem weltweiten liberalen Wirtschaftsnetzwerk, eine weiterhin stark wachsende Weltbevölkerung und eine im selben, oder vermutlich sogar noch kürzeren Zeitraum voranschreitende Bedrohung unseres Planeten durch Klimaänderung, Verschmutzung, Umweltzerstörung und Ressourcenvernichtung haben auch vor unserem Hobby nicht halt gemacht. Schon lange präsentiert sich die Aquaristik nicht mehr als die heile Welt im Glas. Zu oft haben wir Aquarianer die Vernichtung und Bedrohung der Heimat unserer Pfleglinge mit eigenen Augen gesehen, zu oft wurden und werden Umweltkatastrophen und lokale Zerstörung via Fernsehberichterstattung und Internet frei Haus geliefert, zu sehr sind wir in die Existenzbedrohung von Organismen durch unsere täglichen Einkäufe direkt mit eingebunden. Die ferne Welt unserer Fische, Garnelen und anderer Wasserorganismen, und unsere eigene sind sich auf unverklärte und schmerzhafte Weise nah geworden.
Von den etwa 30.000 bekannten Fischen lebt etwa die Hälfte der Arten im Süßwasser, die andere Hälfte im Meer. Das bedeutet, dass sich rund 15.000 Meeresfische in ca. 97,4% des Wassers auf unserer Erde tummeln. Eine ähnliche Anzahl an Süßwasserfischen – abzüglich gebundenen Süßwassers (Eis, Grundwasser, Wolken, etc.) - in dem was übrig bleibt und das nur 0,3% des verfügbaren Wassers ausmacht: Flüsse, Bäche, Seen. Damit übersteigt die Artenfülle der Fische im Süßwasser die der Meere um das 300-fache! Diese Wasserkörper sind für uns Menschen Transportwege, sie dienen der Energiegewinnung, der Wasserversorgung, der Versorgung mit Nahrung. Die meisten Städte sind entlang von Flüssen gebaut. Der Mensch holt sich daraus, was er benötigt oder möchte, und gibt dahin ab, was er nicht mehr will. Er begradigt sie, bändigt sie, staut sie auf. Mensch und Süßwasserlebensräume sind seit jeher eng verbunden, und von daher zählen diese Biotope zu den weltweit mit Abstand gefährdetsten. Rund ein Drittel der Süßwasserfische Europas sind bedroht, weltweit ist der Anteil durch viele äußerst kleinräumig verbreitete Arten in den Tropen vermutlich Legion. Im Jahr 2009 sprach die IUCN von rund 1.150 gefährdeten bei 3.120 erfassten Arten. Damit waren vor 10 Jahren 80% der Arten nicht erfasst, von den erfassten ein Drittel gefährdet. Die Dunkelziffer bei den nicht erfassten und unbeschriebenen Arten könnte sogar im Bereich von 50% liegen, das würde etwa 7-8.000 bedrohten Süßwasserfischarten entsprechen. Einer Studie der Universität Oxford aus 2015 zufolge beherbergen Süßwasserlebensräume - wir erinnern: nur 0,3% des verfügbaren Wassers auf diesem Planeten - gar 10% aller bekannten Arten an Lebewesen. Seit Beginn des 20. Jahrhunderts gingen 71% der Feuchtgebiete verloren, bei 76% der darin lebenden Arten ist ein deutlicher Rückgang zu verzeichnen. Von rund 750 Garnelenarten, die von der IUCN erfasst werden (Stand 2011) sind 150 bedroht, das entspricht 20%. Wir bemerken im Alltag längst, dass unsere Insekten und Vögel deutlich weniger werden und unsere Welt stiller und farbloser wird. Das Sterben unter der Wasseroberfläche passiert hingegen weitestgehend unbemerkt.
Amphibien und Reptilien geht es nicht besser. Dadurch, dass Lurche in den allermeisten Fällen zur Fortpflanzung Wasser benötigen, trifft sie die Bedrohung der Süßwasserlebensräume direkt und mit voller Härte wie Fische und Wirbellose. Hinzu kommt die Gefährdung durch Chytridpilze – eine direkte Folge der Globalisierung -, die Art um Art dahin rafft. Reptilien wiederum sind of kleinräumig verbreitet, kleine Arten oft auch nicht sehr auffällig, und von daher bemerkt man ihr Verschwinden oftmals - wenn überhaupt – erst viel zu spät. Arten, die in oder an Gewässern leben wie Sumpf- oder Wasserschildkröten sehen sich neben der Nachstellung durch die lokale Bevölkerung denselben Bedrohungsszenarien ausgesetzt wie Fische, Garnelen, Schnecken und Frösche: der Wasserverschmutzung durch Abwässer aus Industriebetrieben, durch Dünger, Pestizide und Herbizide aus der Agrarwirtschaft und durch ungeklärte Abwässer aus Städten. Darüber hinaus der Austrocknung der Lebensräume durch den unleugbaren Klimawandel oder ebenso in Folge von Industrie und Agrarwirtschaft und durch das Anwachsen der Städte mit ihrem stark gesteigerten Wasserbedarf, der Veränderung der Lebensräume durch Abholzung, Umwandlung der Vegetation in Monokulturen und Temperaturanstieg durch den Klimawandel und dem Aussetzen Lebensraum fremder Arten zur Nahrungsmittelproduktion.
Viele Aquarianer and Terrarianer haben daher schon längst, entweder für sich selbst, oder aber auch innerhalb von Vereinen, Verbänden oder anderswie organisiert begonnen, diesem Artensterben entgegen zu wirken. Der Zucht vieler bedrohter Arten kommt gerade durch die Möglichkeiten und der Erfahrung von Hobby Aqua- und Terrarianern eine große Bedeutung zu. Waren es schon in der Vergangenheit die vielen Privatpersonen, die sich im Gegensatz zu zoologischen Betrieben der kleinen und in den Herkunftsländern übersehenen Arten annahmen, so gehört das Wort „Erhaltungszucht“ mittlerweile zum Standardvokabular vieler Vivarianer, und Projekte, die sich bestimmten Arten oder Lebensräumen widmen, erfreuen sich gesteigertem Interesse, auch bei Zoos, die sich heutzutage und erfreulicherweise in großem Ausmaß der bedrohten Biodiversität von Süßgewässern annehmen. Hier werden auch viele Artenschutzprojekte vor Ort organisiert und koordiniert, wo Privatpersonen aufgrund fehlender finanzieller Möglichkeiten oder Erfahrung sehr schnell an ihre Grenzen stoßen. Wo global aus Desinteresse und Profitgier versagt wird, springen Einzelpersonen und Zoos in die Bresche und treten gemeinsam für Arten ein, die ohne deren Engagement längst verschwunden wären. Die EATA als Dachorganisation von Hobby Vivarianern sieht sich als zentrale Schaltstelle, die auf ihrer Website die Fülle all diese Bemühungen überschaubar und organisiert zusammenführt, um interessierten Aqua- und Terrarianern eine Plattform zu bieten, dem eigenen Interesse entsprechend Projekte zu finden und mit den jeweiligen Projektleitern in Kontakt zu treten. Dabei ist es uns ein Anliegen, diese Plattform ständig wachsen zu lassen, wobei naturgemäß Grenzen keine Rolle spielen dürfen. Sie werden hier Projekte finden, die in Vereinen und Verbänden der EATA angesiedelt sind, aber auch Projekte von außen stehenden Vereinen, wie auch Projekte von Zoos und Personen, die in keinem Verein organisiert sind und eigene Projekte ins Leben gerufen haben. Die Bedrohung kennt keine Grenzen, und wir in unseren Bemühungen uns ihr entgegen zu stemmen auch nicht. Jede dieser Aktionen und Projekte an sich ist wertvoll und wichtig, und nur wenn wir alle zusammenstehen und uns symbolisch die Hände reichen, schaffen wir es Großes zu bewirken. Einer Statistik zu Folge wird es mit dem Jahr 2020 mehr als 2 Millionen Aquarien alleine in Deutschland geben. Diese Zahl alleine beherbergt unglaubliches Potential, könnten wir einem Rechenspiel folgend doch mit einem Zwanzigstel dieser Behälter allen bedrohten Süßwasserfischen zwölf Aquarien widmen.
Man hört so oft, was denn schon der Einzelne bewirken könne. Es ist sehr viel, was er kann. Übertragen auf Vivarientiere kann er den Unterschied zwischen dem Überleben einer Art und deren Verschwinden ausmachen. Wir von der EATA mit all den angeschlossenen Verbänden und Vereinen übernehmen Verantwortung und haben uns für den Kampf um Biodiversität entschieden. Unterstützen Sie uns, indem Sie bestehende Projekte durch eigenes Engagement oder finanziell unterstützen, oder selbst ein Projekt ins Leben rufen.
Hier finden Sie eine Auflistung der Projekte inklusive einer Kurzbeschreibung und Kontaktmöglichkeiten: Erhaltungszucht- und Artenschutzprojekte